Gastbeitrag von Karl-Heinz Limberg
Ach, was fordert "die Gesellschaft" nicht alles von uns. Erfolgreich sein im Job, Kinder in die Welt setzen, jung und dynamisch bleiben und den neuesten Trends hinterherlaufen. E-Mails müssen innerhalb von Minuten beantwortet werden, das Smartphone ist immer eingeschaltet (Es gibt Zeitgenossen, die nehmen es im Fitness-Studio mit aufs Laufband und haben es nachts griffbereit neben dem Bett liegen). Der morgendliche Kaffee wird auf dem Weg zur Arbeit im Gehen aus einem Pappbecher geschlürft - das spart ja Zeit (die damit verbundene Umweltsünde ist ein ganz anderes Thema). Das sogenannte "Multitasking" ist zum Trend geworden - Achtsamkeit bleibt auf der Strecke.
Ich habe für mich, als hauptberuflichen Blogger, eine Faustregel aufgestellt: Ich benutze niemals das Smartphone, wenn ich esse oder Sport treibe. Und in meinem Schlafzimmer hat es schon gar nichts zu suchen.
Achtsamkeit erfordert Geduld und Zeit
Bitte nicht missverstehen: natürlich ist ein gesunder Ehrgeiz gut, natürlich sollen wir Sport treiben und uns auch mal richtig fordern. Aber genauso wichtig ist das „Runterfahren“, das Sein im Hier und Jetzt, ohne die vielen negativen Gedanken, die uns so oft beschäftigen. Zugegeben, es ist nicht ganz einfach. Man braucht Geduld und etwas Zeit.
Stress-situationen durch achtsamkeit meistern
Achtsamkeit - im englischen Mindfulness genannt - gehört zu den Modebegriffen, die in den vergangenen Jahren Einzug in unser Vokabular gehalten haben. Dieser Ausdruck wird beinahe schon inflationär verwandt. Es geht um viel mehr als um das „Aufpassen“ oder das „Hinschauen“.
Wir beschäftigen uns viel mit Dingen aus unserer Vergangenheit oder mit Zukunftsängsten. Stattdessen sollten wir uns lieber auf den Augenblick konzentrieren. Das englische Wort „mindful“ beschreibt es gut: "bewusst etwas wahrnehmen". Und warum ist das so wichtig? Weil es unserer Gesundheit und unserem Wohlbefinden dient. Jon Kabat-Zinn, Gründer der „Stress Reduction Clinic“, hat schon vor vielen Jahren erkannt, dass das bewusste Praktizieren von Achtsamkeit hilft, Stresssituationen zu meistern und körperliche und seelische Schmerzen zu lindern.
Atmen ist unser LEBENSElixier
Im ersten Schritt bedeutet Achtsamkeit, mich auf den Augenblick und die Tätigkeit, die ich gerade ausübe, zu konzentrieren. Für mich ist der Atem dabei sehr wichtig, er ist unser Lebenselixier. Wie oft ertappen wir uns dabei, nur ganz oberflächlich ein- und auszuatmen. Besser ist es, einfach mal ein paar Atemauszüge ruhig und bewusst durchführen – vor allem, wenn man sich in einer Stresssituation befindet. Hilft übrigens auch, wenn man sich z.B. über den Inhalt einer E-Mail geärgert hat. Statt direkt eine entsprechend böse Antwort (die man später ggf. bereut) zu schreiben, einfach mal tief Luft holen (am besten im Freien) und „runterkommen“. Für mich ist Yoga, das ich zwei bis drei Mal pro Woche praktiziere, immer wieder eine gute Erinnerung an richtige Atmung.
Mein Buchtipp
Inspiriert durch das Buch „Der Selbstheilungscode“ von Tobias Esch (Arzt, Neurowissenschaftler und Gesundheitsforscher) nehme ich mir inzwischen sogar möglichst täglich Zeit für Meditation. Keine Angst, man muss deswegen nicht gleich ins Kloster und Meditation ist auch nichts Abgehobenes. Ein ruhiger Wohlfühl-Ort zu Hause reicht schon, um zu meditieren. Zugegeben – die Konzentration auf den Augenblick ohne lästige Gedanken ist nicht einfach, aber wie so oft eine reine Übungssache. Und ein paar Minuten am Tag wird man sicherlich finden, um zu meditieren. Telefon, Laptop und TV ausschalten, im Sitzen oder Liegen (ich ziehe Letzteres vor) die Augen schließen, bewusst atmen und möglichst an nichts denken. Natürlich werden Gedanken kommen, das ist völlig normal und nicht weiter tragisch. Aber: diese Gedanken (oft sind sie negativ) sollten nicht die Überhand gewinnen. „Pack sie auf eine Wolke und schieb sie einfach weg“ hat mir mal ein Yoga-Lehrer gesagt – sehr schön ausgedrückt. Bewusst auf die Atmung achten und vielleicht den sogenannten Bodyscan durchführen – bewusst in jedes Körperteil von oben nach unten atmen. Das hilft besonders dabei, dass andere Gedanken nicht die Oberhand gewinnen. Es geht nicht unbedingt darum, Gedanken zu unterdrücken. Vielmehr sollten wir sie zur Kenntnis nehmen und vorüberziehen lassen.
positive emotionen
Und wofür ist das Ganze gut? Achtsamkeit dient nachweislich der Stressreduzierung, im besten Fall kann es sogar Schmerzen lindern und helfen, die Gesundheit zu verbessern. Neueste Forschungen belegen, dass positive Emotionen und Entspannung – neben Ernährung und Bewegung – chronische Erkrankungen wie z.B. Asthma und Rückenschmerzen lindern können.
Achtsamkeit kann uns auch seelisch stärker machen. Hinschauen – annehmen – loslassen ist dabei das Prinzip. Was steckt dahinter? Sich nicht mit negativen Dingen aus der Vergangenheit belasten, die lassen sich ohnehin nicht mehr ändern. Frieden mit sich selbst machen, sich von Schuldgefühlen verabschieden, von Altlasten befreien. Auch hier kann Meditation hilfreich sein. Und letzten Endes fördert Achtsamkeit unsere Empathie, daher wird sie mittlerweile auch Schulmedizinern empfohlen.
Der Arzt und Autor Tobias Esch bringt es wunderbar auf den Punkt: "Achtsamkeit ist vor allem gut für das Selbst – für die Selbstwahrnehmung und Selbstregulation, auch, im wahrsten Wortsinn, für das Selbstbewusstsein. Dazu gehört auch die verbesserte Körperwahrnehmung, Emotions- und Aufmerksamkeitskontrolle. All dies trägt zur persönlichen Gesundheitsförderung bei."