Homeoffice ist in vielen Branchen und Berufen zur Normalität geworden und wird dies auch nach Beendigung der Pandemie bleiben. Lt. einer Befragung unter den Mitgliedern des Berufsnetzwerks LinkedIn arbeiten 67 % während des Lockdowns von zuhause aus. Eine aktuelle Befragen des ifo-Instituts München ergab, dass 73 % der fast 800 befragten Personalleiter positive Erfahrungen mit dem Home Office haben und auch weiterhin darauf setzen. Dies spiegelt auch eine Studie, die zwischen März und Juni 20 die Stellenausschreibungen analysierte und feststellte, dass Ausschreibungen für Home Office-Arbeitsplätze sich im Vergleich zu vor Corona verdoppelten.
Viele
Unternehmen und Führungskräfte haben mittlerweile ihre Vorbehalte gegenüber dem Arbeiten von zuhause aus über Bord geworfen, sind teilweise sogar glühende Verfechter von Homeoffice
geworden.
Warum? Vor Corona bedeutete das Homeoffice einen Kontrollverlust für viele Führungskräfte. Sie mussten Vertrauen in ihre Mitarbeiter haben, konnten nicht mehr direkt den Arbeitsfortschritt überwachen. Gerade in – noch – linear und hierarchisch geführten Organisationen oft ein unüberwindbares Hindernis. Zudem war virtuelle Meeting-Software eher die Ausnahme denn Regel. Dies hat sich im letzten Jahr komplett gedreht. Die Chefs MUSSTEN Vertrauen in ihre Mitarbeiter haben. Sie hatten gar keine andere Wahl mehr.
Und welch Überraschung! Man merkte in vielen Fällen, dass die Mitarbeiter*innen zuhause produktiver sind und auch länger arbeiten als im Büro. Der zeitliche Wegfall des Arbeitsweges wurde oftmals in die Arbeitszeit gesteckt. Die Produktivität stieg, denn das Ablenkungspotential durch den Plausch auf dem Flur oder der gemeinsame Kaffee zwischendurch fiel weg.
Grundvoraussetzung für ein Funktionieren des Arbeitens von zuhause seitens der Arbeitnehmer*innen ist die Fähigkeit zum Selbstmanagement, zur Selbstorganisation und Eigenverantwortung. Und natürlich gilt all das nur bei funktionierender technischer Infrastruktur und ohne Doppelbelastung durch z.B. gleichzeitiges Homeschooling. Zudem erkannten die Unternehmen weitere finanzielle Vorteile wie Wegfall von Dienstreisen und die Möglichkeit, Bürokapazitäten zu verringern etc.
Die meisten Produktivitätszuwächse konnten bei hauptsächlich unabhängigen Tätigkeiten ohne größeren Koordinationsbedarf festgestellt werden. Heutzutage ist allerdings die Arbeit im Team und in Projekten gängige Praxis. Hier birgt die virtuelle Zusammenarbeit Vorteile und Herausforderungen.
videokonferenzen mit klaren regeln
Der menschliche Faktor verringert sich. Den informellen Austausch – mal schnell aufstehen und zu den Kolleg*innen gehen – gibt es nicht mehr. Man müsste jetzt den Hörer in die Hand nehmen und telefonieren oder auf die nächste Teams- oder Zoom-Sitzung warten.
Die im persönlichen, verbalen Miteinander geteilten Zusatzinformationen fallen in der schriftlichen Kommunikation eher weg und
damit erhöht sich das Potenzial für Missverständnisse. Dies kann – zumindest zum Teil – bei Videokonferenzen ausgeglichen werden. Hierzu gehört dann aber unbedingt – besonders bei hoher
Teilnehmerzahl – eine deutlich größere Disziplin und ein gutes Sitzungsmanagement sowie souveräne Moderation und eine professionelle Nachbereitung.
Die Spontaneität wird bei Videokonferenzen mit klaren Regeln also deutlich eingeschränkt. Und hier sind wir beim Thema!
Extrovertierte Menschen glänzen oft durch ihre spontanen Einfälle, sie brauchen die Bühne, um zu strahlen. Sie brillieren, wenn sie sich innerhalb einer Gruppe von Menschen befinden, diese
Atmosphäre atmen und zur Höchstform auflaufen. Und stellen so die Schüchternen natürlich in den Schatten.Dieser Vorteil geht beim Arbeiten im Homeoffice, bei durchgeplanten virtuellen Meetings zu
einem Großteil „flöten“, um es leger auszudrücken.
Das heißt für Menschen, die von Natur aus zurückhaltender sind, dass sie sichtbarer werden können, da die Vorgesetzten nun ihre Mitarbeiter auf Distanz führen und Leistung an klar messbaren SMART-Kriterien festmachen (müssen!). Also an spezifisch messbar und erreichbaren realistischen Ergebnissen mit klarem Zeitrahmen.
Um dies als schüchterne Persönlichkeit dann auch tatsächlich zum Vorteil zu nutzen, also um z.B. eine Beförderung oder eine Gehaltserhöhung zu erhalten, muss man im Jour Fix, im Mitarbeitergespräch, im Jahresgespräch mit den Vorgesetzten auch den Mut haben, diese auf die eigenen Leistungen hinzuweisen. Frei nach dem Motto: Tue Gutes und spreche darüber!
Ein weiterer Punkt, der mir in der Zusammenarbeit mit extrovertierten Menschen immer mal wieder aufgefallen
ist, ist der Fokus auf den Deal an sich, nicht aber auf die – zugegebenermaßen nicht so spannende – Nachbereitung. Also die Fähigkeit oder den Willen zum vollumfänglichen Selbstmanagement und zur
Selbstorganisation, die ja, wie eingangs beschrieben, Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Arbeiten im Homeoffice ist.
Natürlich wird dem sozialen Austausch auch weiterhin eine nicht zu unterschätzende Rolle beigemessen. Diese ist nicht zu vernachlässigen und absolut wichtig für den
Zusammenhalt und die Gemeinschaft. So sind zwischenzeitlich virtuelle Coffeebreaks oder freiwillige Zusammenkünfte nach Feierabend in vielen Unternehmen gängige Praxis. Und hier ist es für die
Schüchternen unter uns wichtig, mit dabei zu sein und keine Ausflüchte zu suchen, warum man da jetzt leider nicht teilnehmen kann...denn der informelle Austausch findet genau hier
statt!
Also, auf was kommt es an, um als Schüchterne*r im Homeoffice nicht übersehen zu werden, sondern im Gegenteil, sichtbarer zu werden, als im Büro:
- Gute Leistung bringen, die messbar ist
- Verlässliches Selbstmanagement, Selbstorganisation und Eigenverantwortung
- bei virtuellen Sitzungen die klaren Regeln zum Vorteil nutzen und relevante Beiträge platzieren (entweder durch angekündigte Wortmeldungen, z.B. virtuelle Hand heben oder mit der Chat-Funktion)
- über den eigenen Schatten springen und die erbrachten Leistungen in den relevanten Gesprächen bei den Vorgesetzten ansprechen
- auch bei virtuellen informellen Zusammenkünften mit dabei sein
Wenn Sie diese Punkte beachten, ist das Home Office eher Chance denn Risiko für Ihr berufliches Weiterkommen!
Ich freue mich über Ihre Erfahrungen!